Angespornt durch einen Artikel mit dem provokanten Titel [“Sitzen ist das neue Rauchen”]1, beschäftigte ich mich mit einem Thema, über das ich in letzter Zeit bereits häufiger schlechtes gehört hatte. Die jedoch recht provokant gehaltenen Titel über das Thema machten mich zunächst einmal misstrauisch, und ich machte mich sodann auf die Suche nach wissenschaftlich fundierten Arbeiten und wurde fündig.
Wie viel Zeit verbringen wir im Sitzen?
Sitzen ist für den modernen Menschen das normalste von der Welt, insbesondere während der Arbeitszeit im Büro. Als Wissenschaftler (der Bioinformatik) bewältige ich 90% meiner Arbeit am PC und daher bislang gezwungenermaßen im Sitzen auf dem Bürostuhl. Die restlichen 10% (geschätzt) entfallen auf Meetings, während denen ich zwar von A nach B laufen muss, dort jedoch auch wieder sitze. Zudem bin ich auch in meiner Freizeit ein PC-affiner Mensch, der gerne mal am PC zockt, Filme und Serien schaut oder sich über Online-Zeitungen auf den aktuellen Stand bringt. Sprich: Ich verbringe so ziemlich meinen ganzen Tag im Sitzen.
Obgleich ich durch sportliche Betätigungen wie Joggen, Badminton und Aikido-Dehnübungen meinem Körper Ausgleich gebe, sind diese prozentual und ehrlich betrachtet nur ein Tropfen auf den Heißen Stein. Diese summieren sich pro Tag nämlich maximal auf eine Stunde.
Die körperlichen Auswirkungen des Sitzens
Instinktiv betrachtet kann der Mensch nicht für langes Herumsitzen oder -liegen gemacht sein, da wir uns in grauer Vorzeit im Laufe der späteren Evolution überwiegend auf der Suche nach Beeren, Kräutern, Wasser und anderen Nahrungsmitteln oder im Konflikt mit unseren nächsten Nachbarn befunden haben. Natürlich kann ich dies nicht belegen, instinktiv ist in meinen Augen jedoch der Umstand des langen Herumsitzens eine Erscheinung unserer technologisierten Zeit und nicht etwa schon immer so gewesen. Tatsächlich wird auch der Anti-Sitz-Befürworter James A. Levine mit den Worten zitiert
Evolutionär sind wir darauf ausgerichtet zu jagen und zu sammeln, zu säen und zu ernten, also darauf, den ganzen Tag in Bewegung zu sein und Tausende von Kalorien zu verbrennen. Und nicht darauf, wie verrückt eine halbe Stunde auf dem Laufband zu rennen und anschließend 15 Stunden zu sitzen. 2
Laut ihm ist es also nicht genug, morgens und abends Sport zu treiben, sondern die einzige Lösung zur Sitzproblematik ist, sich das Sitzen so weit wie möglich abzugewöhnen.
Unter dieser Prämisse kann man sich leicht vorstellen, dass langes Herumsitzen auf den Körper durchaus negative und ungesunde Auswirkungen haben kann.
Nach einer Stunde Sitzen sinkt die Produktion von Enzymen im Körper, die für die Fettverbrennung sorgen, um rund 90 Prozent. Ausgedehntes Sitzen verlangsamt unseren Stoffwechsel und verringert so zum Beispiel den Pegel von Lipoprotein hoher Dichte, das überflüssiges Cholesterin zurück zur Leber transportiert. 1
Eine in diesem Artikel zitierte Publikation bezieht diesen Umstand direkt auf moderne Krankheiten unserer Zeit
Strong evidence shows that physical inactivity increases the risk of many adverse health conditions, including major non-communicable diseases such as coronary heart disease, type 2 diabetes, and breast and colon cancers, and shortens life expectancy. 3
Mögliche Ansätze
Im Laufe der Zeit bin ich bereits einigen möglichen Lösungsansätzen über den Weg gelaufen.
- “Wander Meetings” 1: Eine äußerst interessante Idee aus, bei der alle Meetings während einer kleinen Wandertour abgehalten werden. Ich bezweifle jedoch einerseits, dass hier alle meine Meeting-Partner mitmachen würden und andererseits ist dies oft für unsere Meetings schlichtweg nicht möglich, da wir auf einen Computer zur Präsentation angewiesen sind.
- Stehhocker in Büros: Statt sich auf herkömmliche Stühle zu setzen, lehnt man sich gegen einen Stehhocker. Dieser stabilisiert den Körper und ermöglicht so ein “einfacheres” Sitzen, das die Schmerzen in Gliedern und Beinen nach zu langem Stehen ersparen soll. Die Frage ist jedoch, ob dies exakt die selben physiologischen, metabolischen Auswirkungen hat, wie ein “echtes” Stehen. Zudem erfordert dies einen hohen Tisch.
- Laufband-Schreibtisch: Statt sich den PC auf einen herkömmlichen Schreibtisch zu stellen, kann man diesen auch auf einem Laufband montieren und so stets während der Arbeit laufen (Linus Torvalds rulz). Dies ist übrigens auch das Ideal von James A. Levine, der sich erhofft dass in Zukunft alle Amerikaner in ihren Büros nur noch an solchen Bändern arbeiten.
- Höhenverstellbare Schreibtische: In vielen Büros mittlerweile Vorschrift sind höhenverstellbare Schreibtische, die sich der individuellen Körpergröße anpassen lassen. Oft sind diese jedoch nicht dafür gedacht, von den Personen im Stehen verwendet zu werden und können nicht hoch genug eingestellt werden. Zudem waren mir diese Schreibtische für den Privatgebrauch zu teuer, sodass ich mir kurzer Hand einen manuellen Stehtisch gebaut habe :-)
Persönliche Konsequenzen
Da ich des Öfteren Home-Office betreibe und ich zu geizig bin, mir für zu viel Geld einen höhenverstellbaren Schreibtisch anzuschaffen, habe ich mir kurzerhand einen Arbeits-Tisch gebastelt, der zufälligerweise ideal auf meine Körpergröße passt. An diesem Schreibtisch arbeite ich nun seit ein paar Tagen und mein Gehirn kommt in dieser Arbeitsposition wesentlich besser in die Gänge, als im Sitzen. Ich werde diese Arbeitsweise noch ein paar Wochen lang austesten und sehen, ob sie sich auch auf Dauer bewährt. Falls ja, werde ich mir die Sache mit einem teureren höhenverstellbaren Schreibtisch eventuell doch noch einmal überlegen und meinen Stuhl durch einen Lehnhocker ersetzen.

Frohes Arbeiten! :-)